Mittwoch, 20. November 2019

Internationales Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen - Ratifizierung von Russland



Das Zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen wurde von Russland ratifiziert und somit ist es unmittelbar in Russland anwendbar.
Das Ratifizierungsgesetz regelt u.a. die Zuständigkeiten der russischen Strafverfolgungsbehörden.
Zentralbehörden sind danach:
1.      Bundesgericht Russlands (Werchownij Sud Rossii) ist für die Fragen der Gerichtsbarkeit des Bundesgerichtes in Strafsachen zuständig;
2.      Ministerium der Justiz Russlands (Ministerstvo Justizii Rossii) ist für die Fragen der Gerichtsbarkeit der Gerichten in Russland zuständig;
3.      Ermittlungsbehörde, Zollamt, Innenministerium sind für die Fragen zuständig, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen;
4.      Bundesstaatsanwalt Russlands (Generalnaja Prokuratura Rossii) ist für alle anderen Fragen bzgl. der Strafverfolgung zuständig.


Dienstag, 14. Februar 2017

YUKOS-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht vom 31.07.2014 ist verfassungswidrig (Entscheidung des russischen Verfassungsgerichtes vom 19.01.2017)




Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verstößt also gegen die russische Verfassung und kann somit in Russland nicht anerkannt und vollstreckt werden. Die Entscheidung ist endgültig und kann nicht angefochten werden.
Nach der Entscheidung des EuGH muss Russland den Aktionären einen Schadenersatz i.H.v. 1 866 104 634 Euro und der Gesellschaft i.H.v. 1 299 324 198 Euro dafür zahlen.
Die Steuerbehörde hat die YUKOS-AO eine Steuernachzahlung zzgl. Gebühren und Strafen für Steuerjahr 2000 und 2001 insgesamt auf 566 780 436 Euro veranlagt und vollstreckt, obwohl die Drei-Jahres-Frist verjährt war.
Nach Art. 113 Abs. 1 des russischen Steuergesetzes (in der damaligen Fassung) ist die Haftung wegen Steuerhinterziehung nach drei Jahren - ohne Wenn und Aber - verjährt. Die Hemmung der Verjährung im Steuergesetzbuch war damals noch nicht vorgesehen, sowie auch die unterschiedlichen Verjährungsfristen für Steuerschulden.  
Das Verjährungshemmung-Problem
Problematisch ist in dem Fall, dass in dem Zeitpunkt der Entscheidung der Steuerbehörde über die Steuernachzahlung die Drei-Jahres-Frist verjährt wurde. Allerdings wurden die Ermittlungen fristgerecht angefangen und der Steuerschuldner systematisch und absichtlich der Lauf der Ermittlungen gestört hat. Diese Tatsache wurde von allen Gerichten und auch vom Europäischen Gerichtshof festgestellt.
Das russische Verfassungsgericht hat die Verfassungsmässigkeit des Art. 113 SteuerG Russlands noch im Jahre 2005 bestätigt mit dem Hinweis für den Gesetzgeber, dass er die Hemmung der Verjährung im Steuerrecht gesetzlich regeln muss.
Das Verfassungsgericht sowie in der Entscheidung im Jahre 2005 als auch in der neuen Entscheidung hat angenommen, dass die Störung der Ermittlungen zur Bösgläubigkeit des Steuerschuldners und schließlich zur Hemmung der Verjährungsfrist geführt hat. Unter anderen muss seiner Ansicht nach ein bösgläubiger Steuerschuldner nicht besser gestellt werden als ein gutgläubiger Steuerschuldner.
Die Entscheidung vom 2005 wurde von einem beteiligten Verfassungsrichter in seiner besonderen Meinung scharf angegriffen. Die gesetzlich nicht vorgesehenen Begriffe wie „Bösgläubigkeit“ oder „Störung der Ermittlungen“ sind seiner Meinung nach bedenklich und somit wird das gesamte Rechtsinstitut der Verjährung von Fristen in Frage gestellt (sehr lesenswerte Stellungnahme).

Dienstag, 31. März 2015

Ein (Teil)-Erfolg für die Homosexuellen in Russland

Das berüchtigte russische so genannte „Anti-Schwulengesetz“ wurde von dem Verfassungsgericht Russlands überprüft (Entscheidung des russischen Bundesverfassungsgerichtes vom 23.09.2014).


Nach Art. 6.21 des russischen Ordnungswidrigkeitsgesetzes ist „die Propaganda“ von nicht-traditionellen (also gleichgeschlechtlichen) sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen verboten.

Die Norm verstößt zwar nicht gegen die russische Verfassung, trotzdem hatte die Verfassungsbeschwerde teilweise Erfolg. Die Beschwerdeführer dürfen die gegen sie ergangenen Urteile nochmal von den ordentlichen Gerichten überprüfen lassen; diesmal jedoch unter Berücksichtigung der Meinung des russischen Verfassungsgerichtes.

Das Verfassungsgericht hat vor allem festgestellt, dass sexuelle Orientierung in Russland frei und verfassungsrechtlich geschützt ist (freie Selbstbestimmung und freie Selbstentfaltung) und diese Freiheit gilt auch dann, wenn die Mehrheit in der Gesellschaft eine nicht-traditionelle sexuelle Orientierung missbilligt und aus ethischen, religiösen oder anderen sozialen, historischen und kulturellen Gründen ablehnt.

Ein Recht auf freie sexuelle Orientierung wird auch durch die arbeits- straf- und ordnungsrechtlichen Normen ausreichend geprägt, z.B. Diskriminierungsverbot in Art. 5 des russischen Arbeitsgesetzbuches, besonders schwere Tat nach Art. 63 und eine Straftat wegen Diskriminierung nach Art. 136 des russischen Strafgesetzbuches.

Zum Begriff „Propaganda“ hat das Verfassungsgericht erklärt, dass dieser Begriff sehr eng und sehr streng, unter Berücksichtigung der Grundrechte, auszulegen ist. Das heißt, dass es nicht jede Informationsverbreitung über die Homosexuellen sofort als Propaganda gilt. Es ist nämlich ein vorsätzliches, informatives, auf die Beeinflussung der Kinder gezieltes Vorgehen unter Berücksichtigung allen Umständen des Einzelfalles erforderlich.   
Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich betont, dass die an die Kinder gerichteten Informationen über die homosexuellen Beziehungen als solche durch das umstrittene Gesetz nicht verboten sind. Die Kinder könnten nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (z.B. Erlaubnis der Eltern, Alter der Kinder usw.) und von Sachverständigen darüber informiert werden. 

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtes beinhaltet die umstrittene Norm keinen Eingriff in die persönliche Freiheit bzw. in die sexuelle Selbstbestimmung einer Person und sie ist nicht auf ein Verbot oder eine Missbilligung von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gerichtet.

Grund für die Verfassungsbeschwerde:
In dem der Entscheidung zugrunde liegende Fall wurden die Beschwerdeführer nach der oben genannten Rechtsnorm zu einem Ordnungsgeld verurteilt, weil sie mit den Plakaten „Es existiert keine Schwulen-Propaganda“ und „Schwul kann man nicht werden, sondern man wird als schwul geboren!“ und „Schwul zu sein und Schwulen zu lieben – Es ist in Ordnung. Schwulen schlagen und Schwulen töten – Es ist ein Verbrechen“ demonstriert; der Eine hat vor einer Kinderbibliothek und der Andere hat auf der Straße demonstriert.

Für Verfassungsrechtler und Kritiker ist es eine sehr lesenswerte Entscheidung.

Aleksej Dorochov
Russischer Advokat
www.advokat-dorochov.de