Dienstag, 31. März 2015

Ein (Teil)-Erfolg für die Homosexuellen in Russland

Das berüchtigte russische so genannte „Anti-Schwulengesetz“ wurde von dem Verfassungsgericht Russlands überprüft (Entscheidung des russischen Bundesverfassungsgerichtes vom 23.09.2014).


Nach Art. 6.21 des russischen Ordnungswidrigkeitsgesetzes ist „die Propaganda“ von nicht-traditionellen (also gleichgeschlechtlichen) sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen verboten.

Die Norm verstößt zwar nicht gegen die russische Verfassung, trotzdem hatte die Verfassungsbeschwerde teilweise Erfolg. Die Beschwerdeführer dürfen die gegen sie ergangenen Urteile nochmal von den ordentlichen Gerichten überprüfen lassen; diesmal jedoch unter Berücksichtigung der Meinung des russischen Verfassungsgerichtes.

Das Verfassungsgericht hat vor allem festgestellt, dass sexuelle Orientierung in Russland frei und verfassungsrechtlich geschützt ist (freie Selbstbestimmung und freie Selbstentfaltung) und diese Freiheit gilt auch dann, wenn die Mehrheit in der Gesellschaft eine nicht-traditionelle sexuelle Orientierung missbilligt und aus ethischen, religiösen oder anderen sozialen, historischen und kulturellen Gründen ablehnt.

Ein Recht auf freie sexuelle Orientierung wird auch durch die arbeits- straf- und ordnungsrechtlichen Normen ausreichend geprägt, z.B. Diskriminierungsverbot in Art. 5 des russischen Arbeitsgesetzbuches, besonders schwere Tat nach Art. 63 und eine Straftat wegen Diskriminierung nach Art. 136 des russischen Strafgesetzbuches.

Zum Begriff „Propaganda“ hat das Verfassungsgericht erklärt, dass dieser Begriff sehr eng und sehr streng, unter Berücksichtigung der Grundrechte, auszulegen ist. Das heißt, dass es nicht jede Informationsverbreitung über die Homosexuellen sofort als Propaganda gilt. Es ist nämlich ein vorsätzliches, informatives, auf die Beeinflussung der Kinder gezieltes Vorgehen unter Berücksichtigung allen Umständen des Einzelfalles erforderlich.   
Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich betont, dass die an die Kinder gerichteten Informationen über die homosexuellen Beziehungen als solche durch das umstrittene Gesetz nicht verboten sind. Die Kinder könnten nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (z.B. Erlaubnis der Eltern, Alter der Kinder usw.) und von Sachverständigen darüber informiert werden. 

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtes beinhaltet die umstrittene Norm keinen Eingriff in die persönliche Freiheit bzw. in die sexuelle Selbstbestimmung einer Person und sie ist nicht auf ein Verbot oder eine Missbilligung von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gerichtet.

Grund für die Verfassungsbeschwerde:
In dem der Entscheidung zugrunde liegende Fall wurden die Beschwerdeführer nach der oben genannten Rechtsnorm zu einem Ordnungsgeld verurteilt, weil sie mit den Plakaten „Es existiert keine Schwulen-Propaganda“ und „Schwul kann man nicht werden, sondern man wird als schwul geboren!“ und „Schwul zu sein und Schwulen zu lieben – Es ist in Ordnung. Schwulen schlagen und Schwulen töten – Es ist ein Verbrechen“ demonstriert; der Eine hat vor einer Kinderbibliothek und der Andere hat auf der Straße demonstriert.

Für Verfassungsrechtler und Kritiker ist es eine sehr lesenswerte Entscheidung.

Aleksej Dorochov
Russischer Advokat
www.advokat-dorochov.de